Verfasser: austro classic/Wolfgang M. Buchta, Datum: 04.11.2014
Opel GT - Nur Fliegen ist schöner...
So bewarb die Adam Opel AG einen - für Rüsselsheim - höchst ungewöhnlichen Wagen namens "Opel GT". Wir haben uns die Legende näher angesehen, und die Arbeitsteilung war wie gewohnt - Wolfgang Buchta durfte fahren und schreiben, und Ulli Buchta hat photographiert...
Mitte der 1960er Jahre wurden in Deutschland Jahr für Jahr rund 1,5 Millionen Neuwagen zugelassen, von denen sich Volkswagen natürlich mit dem Käfer und seinen "Verwandten" das größte Stück abschnitt, aber Opel lag mit Marktanteilen zwischen 20 und 25 Prozent an komfortabler zweiter Position. Mit Kadett (ab 1962), Rekord A (ab 1963) und den großen KAD-Modellen - Kapitän, Admiral und Diplomat - war die deutsche Tochter des amerikanischen Branchenprimus General Motors wirklich gut aufgestellt. Allerdings, jetzt werden die Liebhaber dieser Modelle wohl über uns herfallen, die Modellpalette war nicht gerade das, was man heute "sexy" nennen würde. Volkswagen hatte den Karmann Ghia, Ford hatte den - englischen - Cortina und den (ersten) Capri, ganz zu schweigen von Mustang und GT 40, Mercedes den SL , Borgward die Isabella, BMW die "neue Klasse", um von Porsche und aufregenden Importwagen gar nicht zu reden ... Und die Modellpalette von Opel war vieles - zuverlässig, preisgünstig, praktisch, bieder, ... alles außer sportlich und "sexy"... Aber am 16. September 1965 sollte sich all das schlagartig ändern, denn da öffnete die IAA, die "Internationale Automobil Ausstellung" in Frankfurt ihre Pforten, und am Stand von Opel stand ein flaches und elegantes silbernes Coupe, mit ins Dach gezogenen Türen, Schlafaugen, langer Schnauze und kurzem Stummelheck, mit vier Rückleuchten und Doppelauspuff. Ein spektakulärer Sportwagen also, der den aktuellen Kadetts und Rekords locker die Schau stahl, und über das beispielsweise Paul Frere in der Auto Revue unter dem Titel "Umsturz bei Opel" schrieb: "Bei Opel ist die große Überraschung ein sehr sportliches GT-Coupé mit frisiertem Rekord-Motor. Dieses sehr hübsche Auto wird aber vorerst eine Schau-Attraktion bleiben und ist nicht für die Produktion vorgesehen." "Der Opel GT wird als Versuchsfahrzeug für Hochgeschwindigkeitsfahrten zur Erprobung von Karosserieformen, Motoren, Bremsen, Lenkungssystemen und Radführungen auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken des Dudenhofener Prüffelds eingesetzt" vermerkte dazu die Opel-Presseaussendung trocken. Serienfertigung also höchst unwahrscheinlich, soweit so schlecht ... Aber die Geschichte des sportlichen Opel beginnt natürlich ein paar Jahre früher und ein paar tausend Kilometer weiter westlich. Bekanntlich ist ja Opel seit 1929 die deutsche Tochter vom amerikanischen Auto-Giganten General Motors, und genau dort, in Amerika, hatte der Konzern und speziell die Konzernmarke Chevrolet Anfang der 1950er Jahre genau das gleiche Problem gehabt - Chevrolet verkaufte biedere, zuverlässige, brave Autos in großen Stückzahlen, aber die meisten Konkurrenten hatten irgendwie "spannendere" Modelle im Angebot. Und General Motors resp. Chevrolet zeigte vor, was man gegen das Image des Biedermanns tun konnte: Auf der Motorama in Jänner 1953 präsentierte Chevrolet unter anderem einen, für das Jahr 1953, spektakulären Zweisitzer, der bald darauf als Chevrolet Corvette in den Autohäusern der Marke auch käuflich erhältlich war. Und siehe da, mit einem einzigen Modell, dessen Stückzahlen im Rahmen des Gesamtausstoßes von Chevrolet irgendwo im 1/10-Promille- Bereich (300 oder vielleicht 315 Corvettes unter über 1 Million Chevrolets im Jahre 1953), wandelte sich das Image der Marke fast schlagartig von bieder zu sportlich. Im Herbst 1962 kam Clare MacKichan als neuer Chefdesigner von Detroit nach Rüsselsheim und brachte jede Menge neuer Ideen mit - wäre doch gelacht, wenn das Kunststück des Imagewandels nicht auch in Europa gelingen sollte ... Ebenfalls 1962 hatte Opel als Einsteigermodell den Kadett präsentiert, der ein moderner Kleinwagen mit eigenständig-europäischem Design, der nicht wie ein maßstabsgetreu verkleinerter Chevrolet vom Vorjahr aussah. 1963 wurde der Limousine das Kadett Coupe - 48 PS, 132 km/h Spitze - zur Seite gestellt, das zwar bei weitem kein Sportwagen aber zumindest mit der abfallenden Dachlinie ein sportlicher Wagen war. Bereits Ende 1962 wurde mit dem "Projekt 1484" ein weiterer Schritt Richtung Imagekorrektur getan. Auf Basis des neuen Kleinwagen entstanden einige Studien für sportliche Coupes, die unter dem Arbeitstitel "Kadett GT" standen. Im Winter 1963 wurde ein 1:1-Modell des Ka- dett GT den Vorständen von Opel und GM präsentiert, die von dem Konzept überzeugt waren und ihr o. k. für die Weiterentwicklung gaben. Das Projekt 1484 wurde also in Richtung eines rassigen 2+2-sitziger Sportwagens mit Großserienmechanik und in der Preisklasse von DM 10.000 voran getrieben, eine Preisklasse, die an Konkurrenten (aus dem Ausland) nicht arm war - Fiat, Alfa Romeo, Triumph, MG, ... Im Zuge des Jahres 1964 wurde nicht nur an der Form gefeilt und aus dem 2+2-Sitzer wurde schließlich ein reiner Zweisitzer, auch die Namensgebung entwickelte sich zur Baustelle - aus dem "Kadett GT" wurde über einen Umweg zum "Rekord GT" - dessen neuer 1,9-Liter- Motor für den Sportwagen zur Diskussion stand - schließlich zum schlichten "GT".
Die Corvette aus Rüsselsheim. Im September 1965 auf der IAA in Frankfurt stand der "Opel GT Experimental" leicht schräg auf einer rotierenden Plattform und lockte das Publikum in Scharen zum Messestand von Opel. Unter der Motorhaube werkte, so die Presseaussendung, eine "abgewandelte Höchstleistungsversion des 1,9-Liter-Vierzylinder Rekord-Motors mit oben liegender Nockenwelle, mit dem weit über 200 km/h liegende Geschwindigkeiten erreicht werden". Das Publikum war begeistert, "Auto, Motor und Sport" widmete dem GT-Prototypen ein Bild über eine halbe Seite, aber mit einer Serienproduktion rechnete wie gesagt niemand. Aber der Opel GT war nicht nur schön, sondern auch technisch "gut". Bei Windkanaltests im November 1966 an der TH Stuttgart erreichte der GT - jetzt mit Außenspiegeln - eine Stirnfläche von 1,4306 m2 und einem cW-Wert von 0,367 und mit offenen Klappscheinwerfern von 0,377 - für die 60er Jahre tolle Werte für ein seriennahes Fahrzeug, die das echte Serienmodell zwei Jahre später dann nicht ganz erreichen sollte. Denn diesmal hatten Presse und Öffentlichkeit die "Erbsenzähler" in Rüsselsheim unterschätzt. Die Begeisterung von Publikum und Medien waren der letzte Anstoß zum "Go Ahead", das Projekt 1484 für eine Serienfertigung weiter zu entwickeln. Während der "GT Experimental" durch die großen internationalen Motorshows - Turin, Genf, Paris, New York, ... - tourte, machten sich die Stylisten und Techniker an die Arbeit. Auffälligste Änderung der unzähligen Details waren die "Schlafaugen": Während diese beim "Experimental" vorne hochklappten wie bei etlichen anderen - vom Lotus Elan bis zur Konzernschwester Corvette Sting Ray - dachten sich die Ingenieure in Rüsselsheim einen Mechanismus aus, der den Scheinwerfer um die Längsachse drehte - eine von Opel patentierte, einmalige Konstruktion - und der mechanisch - kein störungsanfälliges Hydraulik-, Elektrik- oder Unterdrucksystem - mittels eines Hebels im Cockpit, vergleichbar einer Handbremse, betätigte. Aber warum, so könnte man sich fragen, machten sich die Konstrukteure in aller Welt solche Mühe mit dem Klappmechanismus und montierten nicht ganz einfach "normale" Scheinwerfer? Wegen ein paar Zehntel beim cW-Wert, schien der Aufwand etwas übertrieben... Die Ursache für die Mühe lag, wie so oft, in gesetzlichen Vorschriften, die eine Mindesthöhe der Scheinwerfer vorschrieben, die mit einer flachen Sportwagenschnauze nicht erreichbar war. Und eine Lösung wie der heute so geliebte Austin- Healey Sprite "Frogeye" wollten die Hersteller ihren Kunden in den 60er Jahren nicht mehr zumuten ... Nach außen hin lud Opel zwar ausgewählte Journalisten ins Prüfzentrum Dudenhofen, wo die "Versuchswagen" rund um die Uhr getestet wurden, und überreichte der Presse sogar Prospekte zum "GT Experimental" - Produktionspläne wurde allerdings nach wie vor, wenn auch zunehmend halbherzig, dementiert. So erklärte Chefingenieur Hans Mersheimer anläßlich einer Pressekonferenz "Wir wissen heute noch nicht einmal, wo wir die Karosserien bauen lassen könnten. In unseren eigenen Werken haben wir dafür keine Zeit." Der zweite Teil der Aussage entsprach den Tatsachen, beim ersten Satz hatte der Herr Technik- Direktor ein wenig geflunkert, denn eine Lösung war bereits gefunden, und zwar ausgerechnet in Frankreich ... Während für Karosserieform und Interieur bald Einigung im Team erzielt wurde - was jetzt nicht weiter verwunderlich war, denn die Form entsprach der Chevrolet Corvette C3, die in den US A im Herbst 1967 auf den Markt kam und das "Lieblingsbaby" von Bill Mitchell, dem allmächtigen "Vice President of Design" von General Motors war, konnten sich Techniker und Kaufleute nicht auf die Position des Motors - vor oder hinter der Vorderachse, oder anders formuliert geringere Kosten oder bessere Gewichtsverteilung und Straßenlage - einigen. Die Kontrahenten: In der sportlichen Ecke Bob Lutz, oberster Verkäufer bei Opel und ambitionierter Hobbyrennfahrer, und in der preisbewußten Ecke der bereits erwähnte Cheftechniker Hans Mersheimer. Ort des Showdowns: Der Nürburgring. Als Ringrichter wurde der Rennfahrer Hans Hermann verpflichtet, dessen Votum klar war: Die Frontmittelmotorversion hat eindeutig das bessere Fahrverhalten! So blieb schließlich noch das Problem des Karosseriebaues - resp. der mangelnden Kapazität in den Opelwerken - zu lösen, und die Lösung fand sich wie schon erwähnt im benachbarten Frankreich und vereinfachte die Logistik nicht gerade. Die eigenständigen Karosseriebauer in Deutschland waren alle ausgelastet - Karmann in Osnabrück fertigte für VW den Karmann Ghia und Baur in Stuttgart war für BMW tätig - aber in Gennevilliers, nordwestlich von Paris, fand sich die Firma Chausson (die heute vor allem für ihre Wohnmobile bekannt ist), die für den Job gewonnen werden konnte. Bereits im Mai 1966 wurde eine Gipsform des Opel GT nach Gennevilliers geliefert, worauf Chausson mit der Herstellung der Presswerkzeuge für den Bau der Rohkarosserie beginnen konnte. Opel lieferte Kadett-Blechteile, die die Basis des GT waren, an Chausson, wo sie in die Rohkarosserie integriert wurden. Diese vervollständigten Rohkarosserien wurden anschließend 60 km Richtung Norden nach Creil zu Brissoneau & Lotz transportiert wo Hohlraumschutz eingebracht wurde und die Karosserie in einer der (vorerst) sechs erhältlichen Farben, darunter vier Metallic-Farben, lackiert wurde, auch Kabelbäume, Stoßstangen und Innenausstattung wurden hier montiert. Danach wurden die Wagen wieder verladen, um im mehr als 600 km entfernten Bochum mit den mechanischen Komponenten versehen zu werden. Bereits im Mai 1967 konnte der erste Prototyp nach Rüsselsheim geliefert werden und im Juni 1967 unterzeichneten die drei Partner den endgültigen Vertrag.
Ein Traum geht in Serie. Genau drei Jahre und 10 Tage nach der Präsentationdes GT Experimental auf der IAA 1966, am 24. September 1968, war aus dem "Projekt 1484" der Opel GT geworden - die Serienversion des Traums von 1965 wurde im Kultur- und Kongresszentrum Jahrhunderthalle in Frankfurt-Höchst einer handverlesenen Gruppe von Journalisten und Opel-Händlern präsentiert. Für das "Volk" stand der Opel GT zwei Tage später auf der IAA zur Besichtigung bereit. ... weiterlesen auf Austro Classic Online